Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen, kreislauffähigen Textilbranche

20.10.2023, 10:19 Uhr

Am 09. Oktober 2023 fand das zweite Event der CEV-Themenreihe Kreislaufwirtschaft mit dem Fokus „Textilien und Wertstoffpotenziale“ statt. Den Teilnehmenden wurde an diesem Nachmittag ein tiefer Einblick in die textile Wertschöpfungskette und die anstehenden Herausforderungen aufgrund der Entwicklungen auf EU-Ebene gegeben.

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Einblicke bei carla Tex Kleidersortierwerk der Caritas Vorarlberg

Zu Beginn konnten die Teilnehmer*innen mittels Shuttlezubringer eine Firmenführung bei carla Tex in Hohenems erleben, wo sie von Karoline Mätzler und dem Carla-Team spannende Einblicke in die Arbeitsweise und das internationale Geschäft von carla Tex im Bereich der Textilwiederverwertung bekamen.

Im vergangenen Jahr konnte carla 3.468 Tonnen Secondhand-Kleider zur Wiederverwendung und Verwertung sammeln, die systematisch kategorisiert werden. Carla gilt dabei überregional als Vorzeigebeispiel. Wiederverwendung finden 60 % der eingesammelten Textilen. Neben dem Betreiben eigener Shops, sind nationale und internationale Absatzmärkte vorhanden. 20 % der Textilien werden aufgrund von Verschmutzungen und Beschädigungen anderen Re-Use Möglichkeiten zugeführt, unter anderem als Putzlappen in der Vorarlberger Industrie oder als Isolationsmaterial im Bauwesen. Die verbleibenden 20 % der gesammelten Kleider müssen als Textil- oder Restmüll entsorgt werden, was mit erheblichen Kosten verbunden ist. Bemerkenswert ist, dass durch die Re-Use- und Recyclingbemühungen von carla im Jahr 2022 etwa 20.000 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden konnten. Dies verdeutlicht die positiven Umweltauswirkungen, die durch den Ausbau einer Kreislaufwirtschaft erzielt werden können.

Karoline Mätzler, carla Vorarlberg

Das große Interesse an der Führung durch die carla Tex Kleidersortierung freut uns sehr. Mit der Sortierung unserer Gebrauchtkleider leisten alle Vorarlberger*innen einen wesentlichen Anteil zur CO2 Reduktion. Allein in Vorarlberg können dadurch jährlich 20.000 Tonnen CO2 eingespart werden. Bei den anstehenden rechtlichen Veränderungen für die Textilproduktion, kann die Sammlung und Sortierung von Alttextilien einen wesentlichen Beitrag leisten. Der Wille ist spürbar, gemeinsam in der Region die Chancen zu nützen und Kreisläufe zu schließen. Ein solch enges Netzwerk in Vorarlberg und ein Mehr an Kooperation über Grenzen von Branchen und Institutionen ist der Schlüssel, um Kreislaufwirtschaft in Vorarlberg erfolgreich umsetzen zu können.

Transformation der Textilbranche

Nach der Firmenführung wurden die Teilnehmenden per Shuttlebus zur CampusVäre gebracht, wo die Themenreihe beim Festival zur Entwicklung der Zukunft zu Gast war. Etwa 70 Interessierte hörten nach der Begrüßung durch Hausherrin Bettina Steindl (CampusVäre) zwei Fachvorträge und konnten sich aktiv an der anschließenden Diskussion beteiligen.

Sophia Kratz vom Umweltdachverband beleuchtete in ihrem Vortrag „Wegweisende EU-Policies für den Textilsektor“ die wirtschaftspolitischen Herausforderungen, denen die Textilbranche auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft gegenübersteht. Des Öfteren fiel der Begriff „Ultra Fast Fashion“ in Bezug auf die Schwierigkeit einer Wiederverwendung solcher Textilien bzw. die damit wachsenden Müllberge. Die EU-Taxonomie möchte solchen Entwicklungen mittels Gesetzgebung entgegenwirken. Sophia Kratz gab dabei Einblicke in den Entwicklungsstand relevanter EU-Richtlinien des EU Green Deal sowie bezüglich Ökodesign-Verordnung, Abfallrahmenrichtlinie, Lieferkettengesetz, EU-Textilstrategie und der Österreichischen Kreislaufwirtschaftsstrategie.

Günter Grabher (Smart-Textiles Plattform Austria; Grabher Group) ging in seinem Vortrag „European Green Deal und seine gravierenden Herausforderungen für die heimische Textilindustrie“ auf innovative Produktentwicklungen der vergangenen Jahre ein, bemängelte aber auch die aktuell vorherrschende Unsicherheit, welche durch den langwierigen Gesetzwerdungsprozess auf EU-Ebene einhergeht. So ist bis dato noch keine Entscheidung gefallen, ob zukünftig chemisches oder rein mechanisches Textilrecycling erlaubt sein wird, was wiederum für die nächsten Produktinnovationen ein entscheidender Faktor sein wird.

Die Statements und Fragen des Publikums verdeutlichten die Herausforderungen, mit denen sich die Textilindustrie auf dem Weg zu einer möglichen Circular Economy gegenübersieht. Jedenfalls wurde bei einer kleinen Stärkung noch sehr rege über zukünftige Chancen und Risiken in den Hallen der CampusVäre diskutiert.

 

Fotos: (c)Belinda Konzett, WISTO | Frederick Sams | Angela Lamprecht